Grenzherstellung

Unser Grundstück hat nur ein relativ schmales Baufenster. Legt man einen Flur genau in die Mitte, bleiben links und rechts nur jeweils 3 Meter für die Zimmer übrig. Diesem Mangel verdanken wir vermutlich, dass wir das Grundstück überhaupt bekommen haben und uns noch leisten konnten. Dafür brauchen wir jetzt einen Nicht-Standard-Grundriss, machen das Haus etwas länger und nutzen jeden Zentimeter in der Breite aus. Von den Verkäufern haben wir ein unterschriebenes und gestempeltes Schreiben vom Katasteramt, das die Breite mit 14,90m angibt. Darauf basiert unsere gesamte Planung. Alles gut also… oder etwa doch nicht?

Die Zweifel fangen an, als wir ein frisch gegrabenes Loch in unserer Auffahrt entdecken. Der Verursacher ist schnell gefunden, der Gärtner unserer Nachbarn sollte einen Zaun setzen und war auf der Suche nach dem Grenzstein. Die Nachbarn haben vom Katasteramt die Auskunft bekommen, dass unser Grundstück nur 14,30m breit wäre. In den Bauplänen des alten Hauses von 1950 finden wir weitere Widersprüche. Flurkarten sind prinzipiell nur auf einen halben Meter genau, wir finden die entscheidenden Grenzsteine nicht und wir sind mit den Nerven am Ende. Eigentlich wollten wir den Vertrag mit der Baufirma noch vor Jahresende unterschreiben, der darin enthaltene Entwurf ist jetzt eventuell hinfällig und die Nachbarn erheben Ansprüche auf das, was wir bisher für unser Grundstück gehalten haben.

Nach Rücksprache mit der Baufirma legen wir alle Planungsaktivitäten auf Eis und lassen uns von einem Vermesser beraten. Einziger Ausweg scheint eine Grenzherstellung zu sein. Dabei sichtet ein öffentlich bestellter Vermesser alle Unterlagen aus den Archiven, kontrolliert alle möglichen Vermessungspunkte vor Ort und bezieht auch die Grenzsteine ein. Treten dabei Widersprüche auf, klärt er diese und versucht eine Lösung zu finden, die möglichst wenig Schaden für die Eigentümer und das gesamte Netz von Vermessungspunkten anrichtet. Das Ergebnis wird allen angrenzenden Eigentümern vor Ort erklärt, legen diese keinen Widerspruch ein, ist die Grenze unwiderruflich hergestellt. Die Kosten liegen für zwei Grenzsteine bei 2000 Euro, die Arbeiten vor Ort dauern zwei Tage, dann bekommen wir das Ergebnis.

Das Grundstück ist an der Straße 2cm kürzer als gedacht, soweit gut, aber: es wird nach hinten 41cm schmaler. Wir haben Rechtssicherheit, verlieren 6qm und müssen 18cm Breite einsparen. Noch entscheidender ist, dass wir insgesamt fast 3 Monate verlieren, bevor wir wieder “kurz vor Unterschrift” sind. Die Baufirma hat mittlerweile die Preise erhöht. Netterweise reichen sie das an uns nicht durch, dafür haben wir aber keinen Verhandlungsspielraum beim Preis oder bei Extras mehr. Der Gesamtschaden für uns liegt bei einigen Tausend Euro.

Die Vermesser haben Punkte bis zu den beiden nächsten Kreuzungen kontrolliert
Die Vermesser haben Punkte bis zu den beiden nächsten Kreuzungen kontrolliert
So ein Nagel in der Straße (gelber Kreis) kann eine offizielle Vermessungsmarke sein
So ein Nagel in der Straße (gelber Kreis) kann eine offizielle Vermessungsmarke sein
Die meisten anderen Vermessungspunkte gehören zu einem kleineren, regionalen Gitter. Dieser hier steht weiter oben in der Hierarchie.
Die meisten anderen Vermessungspunkte gehören zu einem kleineren, regionalen Gitter. Dieser hier steht weiter oben in der Hierarchie.
Der Grenzstein vorne links (gelbes Kreuz) liegt fast da...
Der Grenzstein vorne links (gelbes Kreuz) liegt fast da…
...wo wir ihn erwartet haben.
…wo wir ihn erwartet haben.
Der Grenzstein hinten links war unter viel Erde und Wurzelwerk versteckt (gelbes Kreuz)
Der Grenzstein hinten links war unter viel Erde und Wurzelwerk versteckt (gelbes Kreuz)